Unser Ritual vom 15.11.23.

Ritual zum Gedenken an unsere PatientInnen

Am 15.11.2023 gedachten wir unserer verstorbenen PatientInnen und deren Angehörigen. 

 

In unseren neuen Räumen lasen wir Texte und nahmen uns fürs Gedenken Zeit!

Besonders sind wir für das entgegengebrachte Vertrauen dankbar!

Manch ein Angehöriger sucht und hält auch heute noch den Kontakt, obwohl der Verlust schon einige Zeit her ist.

Das berührt uns und wir nehmen uns dem gerne an.

 

Warum ein Ritual?

Wozu ist das für uns wichtig?

Jeder hat seine eigenen Strategien, mit dem Leid, Sterben und Tod umzugehen.

Ich selbst brauche den Sport, Gespräche und manchmal, greife ich zu Papier und Stift und schreibe mir meine Gedanken von der Seele.

"… und wieder geht ein Tag, eine Woche zu Ende.
Habe so vielen Menschen in die Augen gesehen
Habe ihre Angst, Verzweiflung und ihren Schmerz darin erkannt.
Habe so viel von Hoffnung gehört.
Habe ihre Stimmen und Worte vernommen, die nicht zu ihrem Blick passen.
Habe ihr Leid gesehen.
Habe ihre ausgezehrten Körper gefühlt.
Habe gespürt, dass sie mir vertrauen und auf Linderung hoffen.
Habe ihnen die Hand ausgestreckt, die sie nahmen.
Zum Abschied habe ich ihnen wieder in die Augen geschaut….
…und den Tod gesehen….

Ich bin Palliativmediziner"

Text von Dr. Stefan Schramm

 

 

Unsere palliative Arbeit erfordert täglich und bei jedem Patienten und ihren Angehörigen, dass wir uns auf sie einlassen, versuchen ihre Ängste, Nöte, Sorgen und Belastungen zu erfassen. Diese emphatische Arbeit erfordert ein ständiges Balancieren auf einem Grat zwischen professioneller Distanz und einem emotionalen Einlassen auf den Menschen gegenüber!

Dies erfordert viel Kraft, Mut und birgt das Risiko selbst emotional beteiligt zu werden.

Die Anforderungen an uns sind sehr unterschiedlich!

 

Manchmal sind die Verläufe und unsere Begleitungen sehr, sehr kurz, teils im Stundenbereich, andere wiederum erstrecken sich durchaus auch über Monate.

Wir begeben uns in den Strudel der Emotionen der Angehörigen und PatientInnen vom Schock des raschen Verlaufs und unmittelbar bevorstehenden Todes und der psychischen Belastung bei längeren Verläufen und der damit gespaltenen inneren Haltung, die einerseits sagt: „hätte er/sie es doch nur schon geschafft“ und auf der anderen Seite „ich möchte dich nicht loslassen“.

 

Das macht natürlich auch etwas mit uns!

 

Hier kann niemand unbeteiligt bleiben und die Arbeit und Belastung des Tages kann niemand einfach so von sich wischen!

Um selbst nicht krank zu werden, benötigt ein Team viele Hilfestellungen!

Neben einem guten Teamgeist und Zusammenhalt führen wir hierzu regelmäßige Supervisionen, Teamsitzungen, Einzelgespräche, gemeinsame Frühstücke und Rituale durch.

Im Rahmen eines Rituals gedenken wir der PatientInnen und ihre Angehörigen, die sich in unserer Obhut befanden. Jedes Ritual wird einen neuen Schwerpunkt haben.

Je nach aktuellem Bedürfnis.

Auch wir trauern und müssen dies bewältigen ... und jeder trauert auf eine andere Weise.

Alle sollen gesehn werden, wie auch unsere Patienten!

Unser diesjähriger Text

Ein Samenkorn, so winzig klein es auch ist, steht immer für das Leben.

Selbst unter widrigen Umständen kann es erblühen, manchmal wundert man sich.

Oft sieht man gar nicht, wo so ein Samenkorn landet.

Vom Wind getragen, aus einer Tasche oder Pfote fallend, vergraben oder auch weggeworfen… es trägt immer das Potential zu wachsen und neu zu erblühen.

Wir alle tragen solche Samenkörner in das Leben unserer Patienten und vor allem auch deren Angehörigen.

Oftmals wissen wir nicht, wohin diese Samenkörner fallen.

Wir können vielleicht nicht mal erkennen, dass sie überhaupt einen Platz finden durften.

Und meist sind wir nicht mehr da, wenn sie erblühen.

Aber ganz sicher tun sie folgendes:

Es braucht Zeit, Liebe, Heilung, Wasser und gute Erdung.. und dann wird aus all der Liebe, der Ruhe und der Stütze, aus den vielen Worten, die wir in unseren Begleitungen in das Leben anderer tragen, wieder Leben.

Dann wachsen Blumen der Erinnerung und des Trostes.

 

Im letzten Jahr haben wir über 800 Patienten begleitet und immer wieder Samen gesät!

Es macht einen Unterschied, ob jemand unterstützt gehen darf, ob Angehörige Halt finden können, oder nicht.

Über 800 mal haben wir alle einen Unterschied gemacht!

Und dafür sind wir dankbar!

 

Text von Christine Scheede